Liebe Leserinnen,
liebe Leser,meine vorletzte Plenarwoche als Mitglied des Europäischen Parlaments ist nun zu Ende gegangen und auf der Tagesordnung stand unter anderem das Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act; EMFA), an dessen Verhandlungen ich als Vertreterin der Sozialdemokraten beteiligt war. Glauben Sie mir, ich habe viel Herzblut in diese Verhandlungen gesteckt und deshalb kann ich auch meine persönliche Enttäuschung über den finalen Gesetzestext nicht verbergen.
Leider ist es uns nicht gelungen, den großen Wurf zu erreichen, den ich und viele andere sich erhofft hatten. Dies lag an den konservativen, liberalen und auch grünen parlamentarischen Verhandlungsteams, die mehr Wert auf eine schnelle Einigung als auf ein wirksames Gesetz gelegt haben. Die Erwartungen, die ein europäisches Gesetz zum Schutz der Medienfreiheit und Medienvielfalt erfüllen müsste, werden mit diesem Text leider nicht erfüllt.
Dennoch wird das Medienfreiheitsgesetz mehr Transparenz über Medieneigentum schaffen, unter anderem durch entsprechende offene Datenbanken. Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wem beispielsweise eine Zeitung gehört, die sie lesen, und welche anderen wirtschaftlichen Interessen deren Eigentümer möglicherweise verfolgen. Außerdem führt die Verordnung die Pflicht ein, dass Regierungen, Behörden und staatliche Unternehmen ihre Werbung auf Online-Plattformen und anderen Medien transparent ausweisen müssen.
Höchst problematisch ist jedoch, dass sich die EU-Staaten mit ihren Positionen in zentralen Punkten gegen das Parlament durchsetzen konnten. Insbesondere die liberale französische Regierung unter Emmanuel Macron hat mehr Schutz von Journalistinnen und Journalisten gegen Spyware aber auch Inhaftierung blockiert. Der Schutz von Journalistinnen und Journalisten, ihrer Quellen und ihrer Arbeit vor Überwachung durch Regierungen ist grundsätzlich unzureichend und bietet zu viele Schlupflöcher.
Die Regelungen zur Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien werden nicht für ausreichende Unabhängigkeit sorgen, da das neue Medienaufsichtsgremium auf europäischer Ebene in der EU-Kommission angesiedelt sein wird und das Personal von dieser Behörde ausgewählt und gestellt wird. Dies steht im Widerspruch zu den Prinzipien der Staatsferne und Unabhängigkeit, wie sie von nationalen Medienaufsichtsstellen gefordert werden.
Des Weiteren bleibt es besorgniserregend, dass Online-Plattformen, insbesondere aus den USA oder China, weiterhin nach eigenen Regeln darüber entscheiden können, welche professionell erstellten Medieninhalte europäische Bürgerinnen und Bürger sehen dürfen oder nicht.
Aufgrund dieser Mängel konnte ich mich am Ende nur zu einer Enthaltung durchringen.
Ihre
Petra Kammerevert
https://www.kammerevert.eu/wp-content/uploads/sites/66/2024/03/Newsletter-Maerz_2024.pdf
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